Dr. Wilfried Ballaschk  - Rechtsanwalt

Bestandsschutz für Schwarzbauten?

 

Immer wieder taucht die Frage auf, welches Schicksal Bauwerke erleiden, die ohne Genehmigung errichtet worden sind. 

 

Vorab sei bemerkt, dass es jedenfalls keine erlaubten Schwarzbauten gab (auch nicht in der DDR) und auch heute nicht gibt.

Wenn ein Bauwerk ohne Genehmigung errichtet wurde, und auch nachträglich keine Baugenehmigung erteilt wurde, bleibt es ein Schwarzbau. Allerdings sind die Rechtsfolgen, die sich bei einem Schwarzbau ergeben – abhängig von den betroffenen Rechtsbereichen - z.T. unterschiedlich.

 

Für Bauwerke ist grundsätzlich eine Baugenehmigung erforderlich. Diese wird durch das Bauordnungsrecht (Bauordnungen) geregelt. Diese Vorschriften aus dem öffentlichen Recht (Verwaltungsrecht) regeln, wo und wie gebaut werden darf. Soweit in den Bauordnungen nicht anderes geregelt ist, ist grundsätzlich eine Baugenehmigung erforderlich.

 

Daneben sind bei der Errichtung oder Veränderung von Bauwerken Vorschriften des Privatrechts (Zivilrechts) zu beachten. So sind z.B. die Rechte der Nachbarn zu wahren. Vor allem dann, wenn Bauwerke auf fremden Grundstücken errichtet werden, ist dazu in jedem Fall auch die Zustimmung des Grundstückseigentümers erforderlich.

 

Zunächst zum sogenannten öffentlichen  Recht

 

Die Errichtung oder Veränderung eines Bauwerkes muss den Vorschriften der jeweiligen Bauordnungen entsprechen. Wird gegen diese Vorschriften verstoßen, ist das Bauwerk nicht rechtmäßig errichtet (Schwarzbau).

Grundsätzlich bleibt ein rechtswidrig errichtetes Bauwerk so lange rechtswidrig, bis es nachträglich genehmigt wird. Die zuständige Baubehörde kann die Beseitigung rechtswidriger Bauwerke grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung fordern.

 

 

1. Geduldete Schwarzbauten

Von dem Grundsatz, wonach die Baubehörde grundsätzlich die Beseitigung rechtswidrig errichteter Bauwerke verlangen kann, gibt es v.a. im Gebiet der neuen Bundesländer Ausnahmen, die sich aus dem Recht der DDR ergeben.

 

In der DDR galt bis zum 31.07.1990 die Verordnung (VO) über die Bevölkerungsbauwerke. Dort waren auch Regelungen darüber getroffen, was die zuständige Behörde im Falle eines Schwarzbaus tun durfte. Sie konnte u.a. z.B. verfügen, dass der Schwarzbau abzureißen ist. In der VO über die Bevölkerungsbauwerke vom 08.11. 1984 war in § 11 Abs. 3 erstmalig geregelt, dass nach Ablauf von 5 Jahren nach Errichtung des Bauwerkes zwar noch andere Maßnahmen (z.B. Ordnungsstrafe) möglich waren, dass ein Abriss jedoch dann nicht mehr verfügt werden durfte.

Waren demnach 5 Jahre nach Fertigstellung eines Schwarzbaus vergangen, blieb dieser immer noch ein Schwarzbau, der Abriss konnte jedoch von der zuständigen Behörde nicht mehr verlangt werden. Der Schwarzbau musste dann von der Baubehörde geduldet werden.

Betroffen sind hier Schwarzbauten, für die keine speziellen Vorschriften über die Durchführung von Investitionen galten (d.h. v.a. Bauwerke von Bürgern für Wohn- und Freizeitzwecke), die vor dem 01.08.1985 errichtet worden sind, und deren Beseitigung der zuständige Rat der Gemeinde, des Stadtbezirkes oder der Stadt nicht bis zum 31.07.1990 innerhalb der 5-jährigen Frist angeordnet hat.

 

Wie das Thüringer OVG Weimar bereits in einem Urteil vom 18.12.2002 festgestellt hat, wirkt die nach dem Recht der DDR eingetretene Verjährung fort, so dass auch nach dem heutigen Recht die Baubehörde keinen Abriss solcher Bauwerke fordern kann. Durch die nach dem Recht der  DDR eingetretene Verjährung hat der Bauherr (oder sein Rechtsnachfolger) insoweit eine geschützte Rechtsposition erlangt. Er konnte und kann weiterhin darauf vertrauen, dass die Baubehörde den Abriss des rechtswidrig errichteten Bauwerkes nicht mehr verlangen kann.

Das Thüringer OVG hat in dem bezeichneten Urteil zugleich festgestellt, dass auch eine Anordnung, mit der eine bereits am 31.07.1990 ausgeübte Nutzung des Bauwerkes untersagt werden soll, jetzt nicht mehr erlassen werden kann. Da das Recht der DDR vor dem 01.08.1990 kein baurechtliches Nutzungsverbot kannte (die Nutzung konnte lediglich bei Gefahren für Leben oder Gesundheit oder zur Vermeidung volkswirtschaftlicher Schäden durch die Bauaufsicht untersagt werden), konnte der Bauherr das Gebäude, dessen Abriss nicht mehr verlangt werden konnte, dieses auch in dem bisherigen Umfang weiter nutzen.

 

 

2. Bestandsschutz

Der Bestandsschutz ist ein Rechtsinstitut des Verwaltungsrechts. Er bezeichnet den Schutz eines Zustandes, der nach einem früher geltenden Recht zulässig war, nach derzeit geltendem Recht jedoch nicht mehr zulässig ist (Beispiel: Errichtung eines Gebäudes mit Baugenehmigung in einem Gebiet, wo heute jegliche Bebauung untersagt ist). Obwohl nach heutigem Recht das Gebäude dort nicht errichtet werden dürfte, war dessen Errichtung doch nach früherem Recht zulässig. Der Errichter des Gebäudes hat sich – im Gegensatz zu den oben behandelten Schwarzbauten – bei der Errichtung oder Veränderung des Bauwerkes an die damals geltenden Vorschriften gehalten. Das nach früherem Recht gebaute Gebäude genießt heute Bestandsschutz. Es darf so, wie es genehmigt war, weiterhin bestehen. Veränderungen daran sind allerdings nicht zulässig. Jede Veränderung führt zum Wegfall des Bestandsschutzes, d.h. das Bauwerk muss dann beseitigt werden.

 

Die Situation der geduldeten Schwarzbauten unterscheidet sich also von den Bauten, die Bestandsschutz genießen dadurch, dass die Errichtung der geduldeten Schwatzbauten zu keiner Zeit zulässig war.

 

 

3. Verwirkung

Die Rechtsprechung hat für Ausnahmefälle angenommen, dass die Baubehörde dann gegen ein rechtswidrig errichtetes Bauwerk oder eine rechtswidrige Nutzung nicht mehr einschreiten kann, wenn sie den rechtswidrigen Zustand nicht nur längere Zeit duldet, sondern sich zudem so verhält, dass bei dem Verpflichteten das berechtigte Vertrauen entsteht, die Behörde werde aus überlegten Gründen von ihren Befugnissen, gegen den rechtswidrigen Zustand einzuschreiten, keinen Gebrauch mehr machen (BVerwG Beschluss vom 5. August 1991 4 B 130.91).

 

 

4. Davon zu unterscheiden ist die Situation im privaten Recht (Zivilrecht).

Im Zivilrecht gilt grundsätzlich das, was die Parteien vereinbart haben. Wird ein Bauwerk auf einem fremden Grundstück errichtet, bedarf es dazu in jedem Fall einer Zustimmung des Grundstückseigentümers. Diese Zustimmung kann ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden. Fehlt eine solche Zustimmung oder kann sie nicht nachgewiesen werden, kann dennoch ausnahmsweise ein Zustand eintreten, der den Bestand des Bauwerkes schützt. Ist z. B. im Pachtvertrag vereinbart, dass eine bestimmte Nutzung nicht gestattet ist, und duldet der Verpächter dennoch sehenden Auges eine solche Nutzung – z.B. die Errichtung eines Wochenendhauses – über einen langen Zeitraum, ohne ihr zu widersprechen, kann er nach Treu und Glauben später daran gehindert sein, die Beseitigung des Bauwerkes während der Laufzeit des Nutzungsvertrages zu fordern.

Ist eine Baugenehmigung erteilt worden, so wird man in der Regel davon ausgehen können, dass der Grundstückseigentümer der Bebauung zugestimmt hat. Ein Bauantrag konnte und kann nur vom Eigentümer oder von einem sonst zum Bau Berechtigten (etwa Inhaber einer Nutzungsurkunde oder Erbbauberechtigter) oder mit dessen ausdrücklicher Zustimmung gestellt werden.

 

Dass die Beseitigung des Bauwerkes auf einem fremden Grundstück während der Laufzeit des Vertrages nicht gefordert werden kann, heißt nicht zwingend, dass ein Bauwerk, dessen Errichtung der Grundstückseigentümer nicht zugestimmt hat, nach Beendigung des Vertrages vom Nutzer nicht abgerissen werden muss, oder dass der Nutzer für ein solches Bauwerk nach Beendigung des Vertrages eine Entschädigung fordern kann.

Sofern weder eine Baugenehmigung vorliegt, noch eine Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Errichtung des Bauwerkes nachgewiesen werden kann, wird der Nutzer auf Verlangen des Eigentümers i.d.R. den Schwarzbau auf eigene Kosten abreißen müssen.

 

Dies gilt auch für Nutzungsverträge, die dem Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) unterliegen.

§ 15 SchuldRAnpG schützt nur solche Nutzer vor einer Verpflichtung zur Beseitigung, die ein Bauwerk entsprechend den Rechtsvorschriften der DDR errichtet haben. Fehlt eine Baugenehmigung, so ist jedenfalls die Errichtung des Bauwerkes nicht nach den Rechtsvorschriften der DDR erfolgt. Eine Verjährung der Befugnis der Baubehörde, den Abriss zu fordern oder die Nutzung zu untersagen, schützt zwar den Bestand des Bauwerkes, sie beseitigt jedoch nicht rückwirkend die ursprüngliche Rechtswidrigkeit der Errichtung.

 

Eine Entschädigung für einen Schwarzbau kann der Nutzer nur nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) verlangen. Dies kommt v.a. dann in Frage, wenn kein Abriss erfolgt und der Grundstückseigentümer das Bauwerk selbst nutzt oder (z.B. durch Vermietung) daraus einen Nutzen zieht.

 

Dr. Ballaschk

Rechtsanwalt 

 

 

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