Dr. Wilfried Ballaschk  - Rechtsanwalt

 

Der Eigentümer kann sich der Haftung als Zustandsstörer (§ 1004 Abs. 1 BGB) nicht durch Verzicht auf sein Eigentum entziehen.

 

BGH, Urteil v. 30. März 2007 - V ZR 179/06

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist Grundstückseigentümer. Aufgrund eines Mietvertrages errichtete der ursprüngliche Mieter eine Bootsanlage mit Gebäuden und Baulichkeiten, die nach dem Mietvertrag nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtet waren und Eigentum des Mieters bleiben sollten. Später verkaufte er die Bootsanlage an einen 2. Mieter. Dessen Mietvertrag war befristet. Vor Ablauf der Befristung verkaufte der 2. Mieter die Bootsanlage weiter. Der Käufer bemühte sich erfolglos um einen Erwerb des Grundstücks und später um den Abschluss eines neuen Mietvertrages. Der Grundstückseigentümer lehnte ab und verlangte nach Ablauf der Mietzeit Herausgabe und Räumung.

Im Prozess hat der Käufer erklärt, er gebe einen etwaigen Besitz auf und sei mit der Entfernung der Aufbauten durch den Grundstückseigentümer einverstanden.

Daraufhin wurde die Klage in 2. Instanz abgewiesen. Das Berufungsgericht hat erklärt, die Voraussetzungen des § 1004 BGB (Beseitigung der Beeinträchtigung des Eigentums durch den Störer) lägen nicht vor. Da die Bauten nicht auf Veranlassung des Beklagten errichtet worden seien, komme eine Zurechnung als Handlungsstörer nicht in Betracht. Zustandsstörer sei der Beklagte nicht mehr, weil die Erklärung in der mündlichen Verhandlung zur Aufgabe des Eigentums geführt hätten.

Der BGH hat dieses Urteil aufgehoben.

 

Aus den Gründen:

Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass sich der Eigentümer einer Haftung als Zustandsstörer nicht durch Verzicht auf sein Eigentum entziehen kann. Der gegenteilige Standpunkt des Berufungsgerichts führte dazu, dass die Vorschrift des § 1004 BGB die ihr zugedachte Aufgabe, zusammen mit § 985 BGB das Eigentum und die damit verbundene Sachherrschaft in umfassender Weise zu schützen, nur noch unvollständig erfüllen könnte. Das ist deshalb nicht hinnehmbar, weil deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche wegen des Verschuldenserfordernisses keinen dem negatorischen Beseitigungsanspruch gleichwertigen Eigentumsschutz gewährleisten.

Dem steht nicht entgegen, dass ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB infolge der Veräußerung der störenden Sache entfallen kann. Denn der Wegfall der Haftung beruht in solchen Fällen zum einen darauf, dass der Störer infolge der auf den Rechtsnachfolger übergehenden umfassenden Sachherrschaft in der Regel nicht mehr in der Lage ist, die Störung zu beseitigen, und zum anderen darauf, dass die Beseitigung der Störung bei Übernahme der umfassenden Sachherrschaft nunmehr Sache des Erwerbers als Ausdruck seiner Verantwortlichkeit als Zustandsstörer ist.

 

Die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB liegen vor. Insbesondere stellt der weitere Verbleib der als Scheinbestandteile nach § 95 BGB zu qualifizierenden Bauten auf dem Grundstück eine dem Beklagten als Zustandsstörer zurechenbare Eigentumsbeeinträchtigung dar. Zwar ist eine Störung dem Eigentümer nicht schon allein wegen seines Eigentums zuzurechnen. Erforderlich ist vielmehr darüber hinaus, dass die Beeinträchtigung zumindest mittelbar auch auf seinem Willen beruht. Diese Voraussetzung ist jedoch auch dann gegeben, wenn die Störung - wie hier - mit dem maßgebenden Willen desjenigen aufrechterhalten wird, der infolge Eigentumserwerbs die Herrschaft über die störenden Sachen übernommen hat.

Einer Duldungspflicht aus abgeleitetem Recht entsprechend § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB steht entgegen, dass die Errichtung der Baulichkeiten nur zum vorübergehenden Verbleib gestattet worden war.

 

 

 

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