Dr. Wilfried Ballaschk  - Rechtsanwalt

 

Ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück, dessen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung davon abhängt, dass ein Nachbar die Mitnutzung seiner Leitungen auf freiwilliger Basis (weiterhin) gestattet, ist mit einem Fehler behaftet.

BGH, Urteil vom 8. April 2011 - V ZR 185/10 -

 

Sachverhalt:

 

Im Jahre 1999 kauften die Kläger von dem Beklagten ein Grundstück im Außenbereich. Das Grundstück ist mit einem in den 30er Jahren errichteten Wohnhaus bebaut und nicht an die öffentliche Wasserversorgung angebunden.

Im Zeitpunkt des Verkaufs erfolgte die Wasserversorgung des Grundstücks über ein Nachbargrundstück, welches ursprünglich ebenfalls dem Beklagten gehört hatte. Bei dessen Veräußerung im Jahr 1980 hatte sich der Beklagte das Recht einräumen lassen, Wasser und Abwasser über die auf dem Nachbargrundstück befindlichen privaten Leitungen zu beziehen bzw. zu entsorgen. Dieses Recht sollte bei einer Veräußerung des dem Beklagten verbliebenen Grundstücks erlöschen.

Im Jahr 2000 wurden die Kläger von dem Nachbarn, welcher sich zwischenzeitlich mittels einer Privatleitung an die Trinkwasserversorgung einer mehrere Kilometer entfernten Stadt angeschlossen hatte, aufgefordert, sich um eine Eigenwasserversorgung zu kümmern. Das Wasser aus der bisher von dem Nachbarn genutzten Quelle lässt sich nach Auskunft des Wasserwirtschaftsamts nur nach einer Aufbereitung als Trinkwasser verwenden. Ein 2002 geschlossener Vertrag, mit dem der Nachbar den Klägern die Nutzung ihrer Leitungen und Anlagen zunächst gestattete, wurde von diesem Ende 2008 gekündigt. Die zuständige Gemeinde lehnte einen Anschluss des Grundstücks der Kläger an das öffentliche Leitungsnetz ab. Das Nachbargrundstück wurde zwischenzeitlich an einen Dritten verkauft.

Gestützt auf die Behauptung, sie hätten erstmals nach Abschluss des Kaufvertrages erfahren, dass das Grundstück über keine eigene Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (nachfolgend einheitlich: Wasserversorgung) verfüge, haben die Kläger Schadensersatz in Höhe von 270.246,86 € sowie die Feststellung verlangt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihnen sämtlichen weiteren Schaden aus dem Abschluss des Kaufvertrages mit ihm zu ersetzen.

 

Aus den Gründen:

 

1. Ein Fehler im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB aF liegt vor, wenn der Zustand der Kaufsache von demjenigen abweicht, den die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages gemeinsam, auch stillschweigend, vorausgesetzt haben, und diese Abweichung den Wert der Kaufsache oder ihre Eignung zum vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch herabsetzt oder beseitigt (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 - VIII ZR 133/93, NJW-RR 1995, 364). Der Fehler kann dabei außer in Eigenschaften der Sache selbst auch in tatsächlichen, rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Umwelt liegen, die nach der Verkehrsauffassung Wert und Brauchbarkeit der Kaufsache unmittelbar beeinflussen (Senat, Urteil vom 13. Oktober 2000 - V ZR 430/99, NJW 2001, 65 mwN). Gehört ein Wasseranschluss zu der vereinbarten Sollbeschaffenheit eines Grundstücks, kann ein Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB aF deshalb nicht nur darin bestehen, dass ein solcher Anschluss nach der objektiven Beschaffenheit des Grundstücks aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unmöglich ist, sondern auch darin, dass der an eine benachbarte Versorgungsanlage vorgesehene Anschluss aus Rechtsgründen nicht durchsetzbar ist (Senat, Urteil vom 6. Oktober 1978 - V ZR 28/76, WM 1979, 101, 102).

2. Danach handelt es sich bei der ungesicherten Wasserversorgung um einen Fehler des Grundstücks.

 

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde das Grundstück von den Klägern zu Wohnzwecken und damit erkennbar in der Erwartung gekauft, dass die Wasserversorgung des darauf befindlichen Gebäudes gesichert war. Diese Erwartung war auch deshalb berechtigt, weil das Gebäude nach seinem äußeren Erscheinungsbild seit Jahrzehnten als Wohnhaus genutzt worden war und der Beklagte zuletzt selbst darin gewohnt hatte. Im Hinblick auf die abgelegene Lage des Grundstücks konnten die Kläger zwar nicht damit rechnen, dass das Grundstück an das öffentliche Wasser- und Abwassersystem angeschlossen war. Solange sie von dem Beklagten keine abweichenden Informationen erhielten, durften sie aber annehmen, dass die bestehende Wasserversorgung in der Weise gesichert war, dass sie nicht ohne ihre Zustimmung von Dritten unterbrochen werden konnte. Soweit die Versorgung nicht durch eigene Leitungen und Anlagen erfolgte, sondern die Mitbenutzung von Anlagen des Nachbarn erforderte, entsprach es mithin der Sollbeschaffenheit des Grundstücks, dass der jeweilige Eigentümer berechtigt ist, diese Anlagen zu nutzen.

Die Zustimmung eines Grundstücksnachbarn zur Mitbenutzung seiner Wasserversorgungsanlage gehört im Allgemeinen zwar nicht zur Beschaffenheit eines Grundstücks. Die Verweigerung der Zustimmung kann aber dann einen Fehler des Grundstücks begründen, wenn dessen Sollbeschaffenheit einen Wasser- und Abwasseranschluss voraussetzt und dieser nach der Vorstellung der Parteien aufgrund der Möglichkeit besteht, sich an die Anlage des Nachbarn anzuschließen. Verweigert der Nachbar den Anschluss, ist das Grundstück infolge der fehlenden Wasserversorgung mangelhaft. Entsprechendes gilt, wenn die Parteien stillschweigend von einer irgendwie, ggf. also auch über den Anschluss an eine Anlage des Nachbarn, bestehenden Wasserversorgung des Grundstücks ausgehen. Ist diese nicht gesichert, weil das Grundstück über keine eigene Versorgung verfügt und die Mitnutzung der Anlage des Nachbarn in dessen Belieben steht, erweist sich das Grundstück wegen des Fehlens der nach dem Vertrag vorausgesetzten Wasserversorgung als mangelhaft.

 

b) Die Aufrechterhaltung der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen Wasserversorgung war nach der im Jahr 1980 getroffenen Vereinbarung infolge des Verkaufs nicht mehr gesichert, sondern allein von dem Willen des Nachbarn abhängig.

 

Zurückverweisung

 

1. a) Hinsichtlich der ungesicherten Wasserversorgung ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Da es sich um einen Sachmangel des Grundstücks handelt und die Parteien die Haftung für Sachmängel ausgeschlossen haben, kommt eine Haftung des Beklagten nur bei vorsätzlichem Handeln, nämlich unter den Voraussetzungen von § 463 Satz 2 BGB aF in Betracht. Nur bei vorsätzlichem Handeln können auch Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss begründet sein.

 

b) Sollte den Klägern ein Schadensersatzanspruch gemäß § 463 Satz 2 BGB aF zustehen und verlangen sie deshalb Ersatz des Erfüllungsinteresses, bemisst sich der Anspruch nach dem Wertunterschied zwischen der mangelfreien und der mangelhaften Sache. Diese Differenz kann in der Regel nach den Kosten für eine Herrichtung des verkauften Grundstücks in einen mangelfreien Zustand berechnet werden (vgl. Senat, Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 45/07, NJW 2008, 436, 437 mwN). Der mangelfreie Zustand setzt hier allerdings keinen Anschluss an das öffentliche Leitungsnetz voraus, da ein solcher nach der Beschaffenheitsvereinbarung nicht erwartet werden konnte. Die Wertdifferenz lässt sich vereinfacht auch nach dem Betrag bemessen, zu dem der derzeitige Nachbar bereit wäre, den Klägern ein dinglich gesichertes Recht auf Anschluss an seine privaten Leitungen einzuräumen, sofern dieser nicht höher ist als die Kosten für die Herstellung einer eigenen Versorgung.

 

 

 

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