Dr. Wilfried Ballaschk  - Rechtsanwalt

 

Erhaltungspflichten des Nießbrauchers

 

Die aus § 1041 Satz 1 und 2 BGB folgenden Erhaltungspflichten des Nießbrauchers werden durch die Vorschrift des § 1050 BGB nicht eingeschränkt.

 

BGH, Urteil vom 23. Januar 2009 - V ZR 197/07

 

Grundsätzlich hat der Nießbraucher die belastete Sache … nur in ihrem wirtschaftlichen Bestand, nicht aber in ihrem Kapitalwert zu erhalten (§ 1041 Satz 1 BGB). Ausbesserungen und Erneuerungen obliegen ihm nur insoweit, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören (§ 1041 Satz 2 BGB). Hierzu zählen Erhaltungsmaßnahmen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung regelmäßig, und zwar wiederkehrend innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind. …Darunter fallen insbesondere die normalen Verschleißreparaturen, während etwa die vollständige Erneuerung der Dacheindeckung eines Hauses als außergewöhnliche Maßnahme den Nießbraucher nicht belasten kann…

 

Etwas anderes gilt indessen, wenn es dem Nießbraucher nach der vertraglichen Vereinbarung in Abweichung von der Regelung in § 1041 Satz 2 BGB obliegt, auch außergewöhnliche Unterhaltungsmaßnahmen durchzuführen. In diesem Fall kann er seine Aufwendungen nicht nach § 1049 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen…

 

Zu den grundlegenden Pflichten des Nießbrauchers gehört das in § 1036 Abs. 2 BGB und § 1041 Satz 1 BGB enthaltene Gebot, die belastete Sache ordnungsgemäß zu bewirtschaften und in einem Zustand zu erhalten, dass sie gemäß ihrer bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung genutzt werden kann… Dieser Wesenskern des Nießbrauchs würde indessen ausgehöhlt, wenn § 1050 BGB (Veränderungen oder Verschlechterungen, die durch ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs eintreten, hat der Nießbraucher nicht zu vertreten) als Einschränkung der Verpflichtung des Nießbrauchers anzusehen wäre, die Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten. Der Nießbraucher könnte von der Durchführung laufend anfallender gewöhnlicher Erhaltungsmaßnahmen dann nämlich häufig mit der Begründung absehen, der Instandhaltungsbedarf sei auf die gewöhnliche Abnutzung der belasteten Sache und damit auf die ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs zurückzuführen. Damit wäre die Pflicht des Nießbrauchers zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache in ihr Gegenteil verkehrt. Dass nicht dies, sondern ein Vorrang der Erhaltungspflicht des Nießbrauchers der Intention des Gesetzes entspricht, wird durch den in § 1050 BGB enthaltenen Verweis auf die ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs deutlich; zu dieser gehört die Erfüllung der sich aus §§ 1036 Satz 2, 1041 BGB ergebenden Pflichten… Soweit nach diesen Vorschriften Erhaltungsmaßnahmen geschuldet sind, kann sich der Nießbraucher deshalb nicht darauf berufen, dass das Reparaturbedürfnis durch die ordnungsgemäße Ausübung des Nießbrauchs eingetreten ist. § 1050 BGB betrifft vielmehr nur Veränderungen und Verschlechterungen der Sache, die trotz laufender Unterhaltung der Sache eintreten und stellt klar, dass diese dem Eigentümer zur Last fallen...

 

Hat der Nießbraucher (nach der vertraglichen Vereinbarung) in Abweichung von § 1050 BGB für die allgemeine Entwertung der Sache einzustehen, die auch bei ordnungsgemäßer laufender Unterhaltung infolge von Abnutzung und Alter eintritt, ist er zur Erhaltung des vollen Kapitalwerts der Sache verpflichtet. Damit obliegen ihm zwangsläufig auch die außergewöhnlichen Erhaltungsmaßnahmen. Denn sie dienen dazu, den altersbedingten Wertverlust durch grundlegende Sanierungs- und Reparaturmaßnahmen auszugleichen.

Wird beispielsweise die vollständige Neueindeckung eines Hauses notwendig, weil das Dach im Laufe der Jahrzehnte marode geworden ist, handelt es sich um eine durch das Alter der belasteten Sache bedingte Maßnahme. Da der Nießbraucher für eine solche Verschlechterung der Sache nach § 1050 BGB nicht einzustehen hat, muss er nach dem Gesetz (§ 1041 Satz 2 BGB) auch die Kosten für die Dacheindeckung nicht übernehmen (vgl. Senat, Urt. v. 6. Juni 2003, V ZR 392/02, NJW-RR 2003, 1290, 1292). Hat er dagegen auch für die allgemeine Verschlechterung der Sache einzustehen, muss er das durch Zeitablauf abgenutzte Dach erneuern, um den eingetretenen Wertverlust der Sache auszugleichen und so ihren Kapitalwert zu erhalten.

Die Parteien (waren) rechtlich nicht gehindert, eine von § 1050 BGB abweichende Regelung zu treffen. Zwar wird angenommen, dass die Vorschrift nicht mit dinglicher Wirkung abdingbar ist … Etwas anderes gilt aber für eine nur schuldrechtlich wirkende Vereinbarung, wie sie zwischen den Parteien … getroffen worden ist. In dem der Nießbrauchsbestellung zugrunde liegenden Kausalverhältnis (schuldrechtlicher Vertrag) können dem Nießbraucher besondere, von dem Wesen des Nießbrauchs abweichende schuldrechtliche Verpflichtungen auferlegt werden…

 

 

 

 

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