Dr. Wilfried Ballaschk  - Rechtsanwalt

 

Elektroleitungen auf dem Grundstück

 

Nimmt ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen das innerhalb des Versorgungsgebiets liegende Grundstück eines Anschlussnehmers für die Verlegung von Elektrizitätsleitungen in Anspruch, ist es dem von der Leitungsverlegung betroffenen Grundeigentümer grundsätzlich verwehrt, das Versorgungsunternehmen auf die Inanspruchnahme eines anderen Duldungspflichtigen zu verweisen. Dabei ist das Auswahlermessen des Elektrizitätsversorgungsunternehmens auch nicht dahin eingeschränkt, dass es in Fällen, in denen die Inanspruchnahme von privatem und öffentlichem Grundeigentum gleichwertig möglich ist, das öffentliche Grundeigentum vorrangig in Anspruch zu nehmen hat (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Urteil vom 11. März 1992 - VIII ZR 219/91, WM 1992, 1114).

BGH, Urteil vom 28. April 2010 - VIII ZR 223/09

 

Sachverhalt:

 

Der Energieversorger hatte Stromleitungen auf einem Privatgrundstück verlegt, obwohl deren Verlegung auch auf dem öffentlichen Straßenland möglich gewesen wäre. Der Grundstückseigentümer forderte die Beseitigung der Leitungen von seinem Grundstück.

 

Entscheidung:

 

Die Grundstückseigentümer können die Entfernung der Leitungen nicht verlangen. Ein solcher Anspruch ist gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Kläger als Stromanschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 AVBEltV verpflichtet waren, die Verlegung der Leitungen unentgeltlich zuzulassen. Ist – wie im entschiedenen Fall – die Inanspruchnahme von privatem und öffentlichem Grundeigentum für eine Verlegung von Elektrizitätsleitungen gleichwertig möglich, ist das Auswahlermessen des Stromversorgungsunternehmens nicht dahin eingeschränkt, dass es öffentliches Grundeigentum vorrangig in Anspruch zu nehmen hat. Auch aus etwaigen Ansprüchen des Versorgungsunternehmens auf Gestattung einer Leitungsverlegung im Straßenraum folgt nicht, dass die hier gewählte Inanspruchnahme des Grundstücks der Kläger ermessensfehlerhaft war.

 

Hinweis:

Der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, der dem Grundstückseigentümer nach § 1004 BGB grundsätzlich zusteht, ist nach § 1044 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist.

 

Die angeführte Entscheidung erging noch nach altem Recht, die inzwischen nicht mehr geltende Regelung der AVBElt lautete:

 

§ 8 AVBEltV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden): Grundstücksbenutzung

(1) Kunden und Anschlußnehmer, die Grundstückseigentümer sind, haben für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im gleichen Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke, ferner das Anbringen von Leitungsträgern und sonstigen Einrichtungen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Diese Pflicht betrifft nur Grundstücke, die an die Stromversorgung angeschlossen sind, die vom Eigentümer in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Stromversorgung eines angeschlossenen Grundstücks genutzt werden oder für die die Möglichkeit der Stromversorgung sonst wirtschaftlich vorteilhaft ist. Sie entfällt ferner, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde.

 

Die jetzige Rechtslage ist nicht anders. Das Recht zur Benutzung des Grundstücks ergibt sich nunmehr aus § 12 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungsanschlussverordnung – NAV) vom 01.11.2006, die die Grundstücksbenutzung in § 12 wie folgt regelt:

 

§ 12 Grundstücksbenutzung

(1) Anschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, haben für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im Gebiet des Elektrizitätsversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung liegenden Grundstücke, ferner das Anbringen von Leitungsträgern und sonstigen Einrichtungen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Diese Pflicht betrifft nur Grundstücke,

1. die an das Elektrizitätsversorgungsnetz angeschlossen sind,

2. die vom Eigentümer in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem an das Netz angeschlossenen Grundstück genutzt werden oder

3. für die die Möglichkeit des Netzanschlusses sonst wirtschaftlich vorteilhaft ist.

 

Sie besteht nicht, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde; insbesondere ist die Inanspruchnahme des Grundstücks zwecks Anschlusses eines anderen Grundstücks an das Elektrizitätsversorgungsnetz grundsätzlich verwehrt, wenn der Anschluss über das eigene Grundstück des anderen Anschlussnehmers möglich und dem Netzbetreiber zumutbar ist.

 

Ergibt sich erst später eine unzumutbare Beeinträchtigung, kann der Eigentümer die Verlegung der Leitung auf Kosten des Netzbetreibers verlangen, sofern die Leitung nicht ausschließlich dem Anschluss seines Grundstücks dient.

Wird die Anschlussnutzung eingestellt, so hat der Eigentümer die auf seinen Grundstücken befindlichen Einrichtungen noch drei Jahre unentgeltlich zu dulden, es sei denn, dass ihm dies nicht zugemutet werden kann.

 

 

 

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